Äusseres Vermögen und inneres Unvermögen oder wie man dazwischen eine Brücke baut

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Unser Deputy CEO, Dr. Andreas Arni unterhält sich mit Dr. Dietmar Hansch über das Spannungsfeld zwischen inneren und äusseren Vermögen und die psychischen Herausforderungen, welche mit der Verantwortung über beträchtliche Vermögen einhergehen können. Dr. Dietmar Hansch ist Internist und Psychotherapeut, Redner und Autor zum Themenbereich Persönlichkeitsentwicklung und Selbsthilfe bei psychischen Erkrankungen. Über lange Jahre leitete er den Schwerpunkt Angsterkrankungen an einer Privatklinik an der Zürcher Goldküste und ist mit den Problemen von Leistungsträgern und Vermögenden gut vertraut.

AA: Sie haben sich mit inneren und äusseren Vermögen befasst, können Sie das näher erklären?

DH: Einem grossen Vermögen ausgesetzt zu sein, stellt grosse Anforderungen, die man nicht wegweisen kann. Selbst wenn man ein Erbe ausschlägt oder verschenkt, ist man nicht gegen spätere Momente des Zweifels oder des Bedauerns gefeit. Will man nur geniessen und lässt das Vermögen fremdverwalten, muss man wissen, wem man vertrauen kann und wo die Möglichkeiten und Grenzen der eigenen Genussfähigkeit liegen. Und wer selbst verwalten und investieren will, muss natürlich über erhebliche Kompetenzen in den entsprechenden Bereichen verfügen. Diese psychologischen, sozialen und fachlichen Kompetenzen könnte man als inneres Vermögen dem äusseren Vermögen gegenüberstellen. Beide Seiten müssen im Gleichgewicht sein: Je grösser das äussere Vermögen, desto stärkeres inneres Vermögen muss man entwickeln, um den damit einhergehenden Herausforderungen begegnen zu können.

Wer in das Energiefeld eines grossen Vermögens gerät, kann nicht nicht entscheiden.

Und wer viele Entscheidungen treffen muss, kann viele Fehler machen. Um je mehr es dabei geht, desto schwerer können die Fehler – und damit die psychischen Konsequenzen – wiegen.

AA: Was heisst das konkret für die Betroffenen und zu was führt das?

DH: Ein grosses Vermögen ist ein Potenzial mit atomaren Kräften, die man beherrschen können oder lernen muss. Dieses Potenzial öffnet sich nach oben in Richtung Möglichkeiten und nach unten in Richtung Fallen und Gefahren. In beide Richtungen wirken starke Kräfte. Evolutionspsychologisch und instinktiv sind wir auf den Umgang mit solchen Kräften nicht vorbereitet. Unsere Vorfahren lebten in kleinen egalitären Gruppen, waren mobil und konnten gar keine grossen äusseren Vermögen mit sich herumschleppen. Nicht nur wer etwas neurotisch veranlagt ist, muss hier sehr viel lernen. Die gigantischen Möglichkeiten nach oben haben manche an den Rand des Wahnsinns gebracht – man denke an den aktuell reichsten Menschen der Welt.

Nach unten öffnen sich ebenso spezielle Fallen: Entfremdung und Einsamkeit bei zu grossem Misstrauen, Ausgenutzt werden bei zu grossem Vertrauen, Selbstmotivationsprobleme, hemmungsloser Konsum zum Füllen der inneren Leere, psychische Erkrankungen bei juveniler Wohlstandsverwahrlosung bis hin zu Angststörungen, Depressionen und Suchterkrankungen bei Schwierigkeiten mit Druck und Verantwortung umzugehen.

AA: Wie kann man diese Diskrepanz überwinden – oder wie baut man eine Brücke zwischen innerem und äusserem Vermögen?

DH: Zunächst muss man gewissermassen den inneren Brückenpfeiler bauen, die reife und starke Persönlichkeit mit grosser Selbstkompetenz. Das ist natürlich ein komplexes Thema und ein langfristiger Prozess.

Um ein ausreichendes Mass an innerer Freiheit aufzubauen, gilt es, innere Glücksquellen zu entwickeln. Wer zum Beispiel eine Kunstsammlung aufbaut und dies nur als Geldanlage sieht, ist abhängig von ihr und stürzt ins Bodenlose, sollte er sie verlieren. Wer parallel dazu ein wirkliches tiefes Kunstverständnis entwickelt, kann gelassener mit Verlusten umgehen: Denn für den Kunstgenuss ist der Besitz nicht entscheidend.

Eine solche Persönlichkeitsentwicklung gelingt am besten im entspannten Umfeld, so dass sich die eigenen Veranlagungen unverzerrt entfalten können. Für Heranwachsende im Spannungsfeld einer vermögenden Familie ist dies leider oft nicht gegeben. Hier gibt es viel realen, eingebildeten oder selbstgemachten Druck und es geht leider nicht selten schief.

AA: Welche Art von Beratung kann man als Betroffener beiziehen? Wie kann ein Family Office da unterstützen?

DH: Psyche ist die Vermittlungsinstanz zwischen Innen und Aussen. Sie handelt vom Umgang mit äusseren Gegebenheiten auf Basis des inneren Vermögens. Insofern sind potenziell alle Erkenntnisse aus Psychologie, Hirnforschung und Psychotherapie für unser Thema relevant. Allerdings akzentuieren sich bei grossen Vermögen die Probleme in spezieller Weise und bei sehr grossen Vermögen kommen neue Probleme dazu. Insofern wäre die Begründung einer speziellen Vermögenspsychologie gerechtfertigt und Ansätze dazu gibt es ja bereits. Aus meiner Sicht ist es für ein Family Office zwingend sich dieser Problematik bewusst zu sein und bei Bedarf Expertinnen aus diesem Bereich vermitteln zu können, die neben theoretisch-konzeptioneller Hintergrundberatung auch Einzelcoachings und Familienberatungen leisten können.

Dr. Dietmar Hansch
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Andreas Arni

Deputy CEO