Marcuard Family Office Insight: Vom Unternehmer zum Anleger

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Diese Publikation beschäftigt sich mit der Entwicklung, die Unternehmer und ihre Familien zu bewältigen haben, wenn sie einen wesentlichen Bestandteil ihres Vermögens – häufig ein Unternehmen – verkaufen. Dies erzwingt eine Neuorientierung des Geschäftsführers: weg vom Unternehmer, hin zum Anleger und Vermögensverwalter. Wir diskutieren die Fallstricke, die sich bei diesem Übergang häufig stellen und zeigen, wie sich damit verbundene Schwierigkeiten lösen lassen. Vermeidbare Probleme entstehen oft durch ungenügende Planung, insbesondere durch das Ausserachtlassen menschlicher Faktoren. Weitere Stolpersteine sind übermässig konzentrierte Anlagen, starkes Eingreifen in die Wertpapierbestände und prozyklisches Anlegerverhalten, aber auch schwache Führungsstrukturen und schlechte Kommunikation innerhalb der Familie. Unsere Erfahrung zeigt, dass wenige, aber grundlegende Massnahmen für den erfolgreichen Übergang vom Unternehmer zum Anleger bereits von grossem Nutzen sein können. Dazu gehört die fristgerechte Planung, die auch «weiche Faktoren» berücksichtigt, die Aufteilung des investierbaren Vermögens in verschiedene Gefässe und schliesslich unmissverständlich festgelegte Rahmenbedingungen zur Führung der Familienangelegenheiten („Family Governance“) und zur Entscheidungsfindung.

Einführung

Obwohl viele Unternehmer und Unternehmerinnen hoffen, ihr Unternehmen, das sie aufgebaut haben, einem Familienmitglied der nächsten Generation übergeben zu können, kommt es aus verschiedenen Gründen immer wieder dazu, dass die Firma, die Quelle des Familienvermögens, an eine Drittpartei verkauft wird – sei es, weil ein Angebot einfach zu gut ist, um ausgeschlagen zu werden, oder sei es, dass kein geeigneter Nachfolger in der Unternehmerfamilie zur Verfügung steht. Was auch immer die Gründe sein mögen; der Verkauf setzt unvermittelt grosse Mittel an liquidem Kapital frei, das zuvor im Betrieb gebunden war.

Dieses «Liquiditätsereignis» ist eine nicht zu unterschätzende Veränderung, die den Unternehmer in vielfacher, zuweilen zeitkritischer Weise herausfordert. Wenn der Verkauf abgeschlossen und die Gelder geflossen sind, sieht er sich plötzlich in einer grundlegend neuen Rolle. Er ist vom Unternehmer zum Anleger geworden. Die neue Aufgabe erfordert neue Fähigkeiten und Denkweisen. Diese Herausforderungen sind das Thema dieser Ausgabe des MFO Insight.

Eine der entscheidenden Fragen, die nach einem Liquiditätsschub auftreten, ist die Strukturierung der Rahmenbedingungen der zukünftigen Vermögensverwaltung. Ein Liquiditätsereignis kann auch Familienmitglieder betreffen, die bis dahin nicht in die Familiengeschäfte involviert waren. So stellt sich als eine der ersten Fragen, wie und in welchem Ausmass Familienmitglieder neu mit eingebunden werden sollen. Wir erläutern diese und andere Fragen, die sich bei einem Liquiditätsereignis stellen, und zeigen mögliche Lösungen auf.

1. Vom Unternehmer zum Anleger

Um die Herausforderungen zu verstehen, die der Wandel vom Unternehmer zum Anleger, von der Unternehmerin zur Anlegerin mit sich bringt, betrachten wir zunächst die Situation vor und nach dem Verkauf einer Firma. Normalerweise ist ein Grossteil des Vermögens des Unternehmers im Betrieb gebunden. Das Vermögen steckt also in einem einzelnen, nicht diversifizierten Anlageposten. Im Gegenzug für diesen konzentrierten Besitz kann der Unternehmer direkten und substantiellen Einfluss auf den Betrieb nehmen. Je nach Sektor und der Aufteilung des Unternehmensvermögens ist dies mit aller Wahrscheinlichkeit mit hohen Risiken und gleichzeitig hohen Ertragschancen behaftet – was gewöhnlich überhaupt erst die Generierung grosser Vermögen ermöglicht. Es ist also nachvollziehbar, dass sich erfolgreiche Unternehmer in erster Linie auf ihren Betrieb konzentrieren. Ihr persönliches Vermögen bleibt dabei für die meisten ein rein abstrakter Begriff. Dies ändert sich allerdings jäh mit dem Verkauf des Unternehmens, wenn grosse Summen auf die Konten des Verkäufers fliessen.

Vor dem Verkauf der Firma standen Kunden, Angestellte und Lieferanten im Mittelpunkt des unternehmerischen Interesses; jetzt sind es die Familienmitglieder. Die Risiken der Geschäftsund Betriebsführung und die vielen anderen quantitativen und qualitativen Unwägbarkeiten werden nun weitgehend durch finanzielle Risiken ersetzt. Die Kontrolle der Angestellten und die Führung des Unternehmens werden ersetzt durch die Organisation und Überwachung externer Dienstleister wie Banken und Berater, die helfen sollen, das Vermögen des frischgebackenen Anlegers zu strukturieren und zu verwalten.

Als das Vermögen des Unternehmers noch in seinem Betrieb steckte, wurde die einseitige Verteilung von Vermögenswerten und Risiken entweder durch direkte Kontrolle oder zumindest durch beträchtlichen Einfluss auf die Betriebsführung ausgeglichen. Einem Anleger hingegen ist von solchen Klumpenrisiken – abhängig von persönlichen Zielen – meist klar abzuraten. Finanzielle Risiken unterscheiden sich grundlegend von unternehmerischen Risiken. Ganz zu schweigen davon, dass die vormaligen Möglichkeiten zur Einflussnahme dem ehemaligen Unternehmer nicht länger gegeben sind.

Der Wandel vom Unternehmer zum Anleger: neue Umstände und Herausforderungen

Quelle: MFO

Die Rolle des Anlegers zu übernehmen erfordert eine Neudefinition der Ziele. Für den Unternehmer wurden diese im Wesentlichen durch das Unternehmen selbst und durch eine Vielzahl sachlicher Einschränkungen definiert. Ein Anleger aber kann - abgesehen der für Familienbedürfnisse und Steuern vorgesehenen Beträge - frei über sein Geld verfügen und es einsetzen, wozu er will. Deshalb muss sich der Fokus des ehemaligen Unternehmers nun verlagern: weg von der Wachstumsorientierung eines Betriebs hin zum langfristigen Vermögenserhalt und zwar ausdrücklich unter Berücksichtigung der Interessen der nächsten Generationen. Die vorangehende Tabelle fasst die hautsächlichen Aspekte des Übergangs vom Unternehmer zum Anleger zusammen und gibt allgemeine Empfehlungen, damit dieser erfolgreich verläuft.

Wir meinen, dass die Festlegung finanzieller Ziele ein wichtiger erster Schritt für das neuerworbene, liquide Vermögen ist. Dabei müssen verschiedene Fragen berücksichtigt werden. Zum Beispiel kann es Interessenkonflikte geben zwischen dem Unternehmer, dem ehemaligen Betriebsleiter also, und anderen Anspruchsberechtigten, die bisher keine oder nur eine passive Rolle im Unternehmen spielten. Sogar der Unternehmer oder die Unternehmerin selbst mag divergierende Interessen haben: Nebst der Vermögenswahrung mag sich der frischgebackene Anleger womöglich auch für konzentrierte Investitionen in und dementsprechenden Einfluss auf die Führung der betreffenden Unternehmen begeistern.

Möglicherweise sogar noch wichtiger als die Frage, was mit dem verfügbaren Kapital anzufangen sei, ist die Frage, was der ehemalige Unternehmer mit seinem plötzlichen Überschuss an Zeit tun soll. Eine Untersuchung der Columbia Business School und der Credit Suisse, bei der Interviews mit Menschen geführt wurden, die einen solchen Wandel vollzogen hatten, bestätigt, dass erfolgreiche Unternehmer ihre Zeit typischerweise vor allem für den Aufbau ihres Unternehmens einsetzen, und dass dieses Unternehmen auch die primäre Quelle ihrer sozialen Beziehungen darstellt (Roberts & Low, 2015).

2. Typische Herausforderungen

Der Wandel vom Unternehmer zum Anleger ist folgenschwer. Die Studie der Columbia und Credit Suisse zeigte auch, dass die meisten Unternehmer die Veränderungen, die der Verkauf ihres Unternehmens nach sich zieht, stark unterschätzen. Die Herausforderungen, die den Wandel vom Unternehmer zum Anleger begleiten, betreffen unter anderem folgende Aspekte:

  • Planung
  • Konzentration der Anlagen
  • Häufige Interventionen und prozyklisches Verhalten
  • Führung und Kommunikation

Ehe mit einer detaillierten Planung begonnen werden kann, muss der Unternehmer die vorhandenen Möglichkeiten für sein Unternehmen und seine Anspruchsgruppen erwägen. Falls das Unternehmen nicht liquidiert wird, kann es entweder unter der Kontrolle der Familie bleiben oder an eine Drittpartei verkauft werden. Das Diagramm auf der folgenden Seite zeigt die meisten der Optionen auf, die einer Familie bei der Nachfolgeplanung zu Verfügung stehen.

Einige Optionen beinhalten verschiedene Grade der Mitwirkung der Familie – zum Beispiel das Anwerben neuer Führungsmitglieder innerhalb der Familie, ein Führungsteam aus Familienmitgliedern ergänzt durch einen externen CEO, oder eine externe Betriebsführung unter Aufsicht eines durch die Familie kontrollierten Vorstands.

Die meisten anderen Nachfolgelösungen beziehen in verschiedenem Mass Drittparteien mit ein – sei es der Verkauf des Unternehmens an die aktuelle, ausserfamiliäre Unternehmensführung (ein Management Buy-out), oder an eine neue externe Führung (ein Management Buy-in). Vorausgesetzt, dass die Familie nicht bloss eine Minderheitsbeteiligung verkaufen will, kann eine weitere Form der Nachfolgeregelung auch die öffentliche Kotierung des Unternehmens an der Börse oder der vollständige Verkauf der Firma an private Investoren sein.

Die Käufer können in der Regel in zwei Kategorien eingeteilt werden. Da gibt es einmal Finanzinvestoren, typischerweise Private-Equity- Fonds: Sie kaufen ein Unternehmen und optimieren Organisation und Bilanzstruktur mit dem Ziel, die Firma gewinnbringend weiterzuverkaufen. Dann gibt es strategische Investoren, die ein Unternehmen erwerben, um ihre eigenen Aktivitäten zu ergänzen. Weil diese Käufergruppe nach Synergien Ausschau hält, ist sie zumeist bereit, einen guten Preis zu bezahlen.

Die Fälle, in denen die Unternehmerfamilie die Kontrolle behält, erlauben dem Unternehmer, den Wandel zum Anleger aufzuschieben. Wenn jedoch keine interne Lösung angestrebt wird oder erreicht werden kann und das Unternehmen verkauft wird, geht der Übergang schnell vonstatten. Der vollständige Verkauf des Familienunternehmens führt dann zu einem Liquiditätsereignis. Oder anders ausgedrückt; der «Aggregatszustand» des Vermögens ändert sich. Geld, das vormals im Betrieb gebunden war, wird freigesetzt. Was auf den ersten Blick unspektakulär erscheint, ist tatsächlich eine Entwicklung, die nur mit ausreichender Planung gut gelingt.

Zu den harten Faktoren, die zu berücksichtigen sind bevor die Transaktion stattfindet, gehören die Bestimmung der Organisationsstrukturen, um die zu erwartenden Gelder zu verwalten, Berater, Steuern (optimale gesellschaftsrechtliche Strukturierung, Steuerregelungen, Nachlassplanung, usw.), Kontostrukturen (Eröffnung von Bankkonten, Verhandlung von Gebühren und Konditionen, usw.), das Festlegen einer Anlagestrategie, sowie die formale Bestimmung und Verteilung von Verantwortlichkeiten zwischen Familienmitgliedern, Beratern, und anderen Dienstleistern. Ein Unternehmer, der nicht genügend plant, ehe er sein Unternehmen verkauft, sieht sich unter Umständen einer ganzen Reihe von Problemen gegenüber, darunter nicht zuletzt einer schmerzlich höheren Steuerrechnung. Die Verantwortung für den jähen Geldfluss sowie die Herausforderung, mit möglichen Konflikten in der Familie umzugehen, kann Beziehungen belasten. Dies kann unter Umständen dazu führen, dass die Möglichkeiten zur Vermögensmehrung des aktuellen Eigentümers und der nächsten Generation beeinträchtigt werden.

Was tun mit dem Familienunternehmen? Mögliche Optionen:

Quelle: Neuhaus (2016), adaptiert durch MFO

Diese harten Faktoren lassen sich meist noch relativ einfach lösen. Allerdings kann sich auch das Vernachlässigen der menschlichen «weichen» Faktoren nachteilig auswirken. Dazu gehört, persönlich darauf vorbereitet zu sein, nicht länger mit dem Unternehmen, das einst im Mittelpunkt des (Arbeits-)Lebens stand, in Verbindung zu stehen. In diesem Zusammenhang muss die Frage der für den ehemaligen Unternehmer plötzlich verfügbaren Zeit angegangen werden. Auch kann der Wandel zum Besitzer eines grossen, frei verfügbaren Vermögens die Wahrnehmung der Umwelt beträchtlich verändern, wodurch sich möglicherweise Sicherheitsfragen auftun. Zudem sind Familienmitglieder unter Umständen nicht mehr länger an ihrer eigenen Karriere interessiert, falls ihr Vermögen nach dem Verkauf des Familienunternehmens höher ist als alles, was sie jemals in ihrem Arbeitsleben verdienen können.

Ist die Planungsphase der Transition abgeschlossen und sind die Organisationsstrukturen und Verantwortlichkeiten geklärt, sollte eine Anlagestrategie für die neu verfügbaren Mittel beschlossen werden. Eine hauptsächliche Herausforderung für den bisherigen Unternehmer ist dabei seine Einstellung zu ändern: Während die volle Konzentration auf sein Geschäft einen Unternehmer möglicherweise zum Erfolg führt, kann sie für einen Anleger den Weg in die Katastrophe sein. Es ist nur selten ratsam, Vermögen in einer einzigen Anlage oder einem einzelnen Sektor zu konzentrieren. Forschung und Erfahrung zeigen klar, dass Diversifikation der vernünftigere Weg zum Vermögenserhalt ist (McCullough, 2010). Aus eigener Erfahrung wissen wir, dass die Konzentration finanzieller Mittel, zum Beispiel in einer einzigen Aktie, zwar kurzfristig zu hohen Gewinnen führen kann; langfristig hingegen zahlt sich dieser Ansatz gewöhnlich nicht aus. Ein Grund dafür ist das gut dokumentiertes Verhaltensmuster vieler Anleger, die zögern, ihre Gewinne beim Steigen der Aktie zu realisieren. Verliert die Aktie dann an Wert, geraten sie in einen Zustand der Negierung und setzen ihr Portfolio damit einem starken Klumpenrisiko aus.

In diesem Zusammenhang möchten wir auch auf die Illusion hinweisen, wonach häufige Eingriffe in ein Anlageportfolio zu denselben positiven Resultaten führen wie die dauernden Anpassungen, die ein Unternehmer in seinem Betrieb vornimmt. Wie es Vincerò Capital Management (2012) treffend formulierte: «Liquide Mittel reagieren nicht auf die üblichen Methoden der Motivation und Manipulation». Dieses Verhalten ist wahrscheinlich das Ergebnis einer verzerrten Risikowahrnehmung: Menschen neigen dazu, Risiken zu unterschätzen solange sie die Kontrolle haben – zum Beispiel beim Autofahren. Hingegen überschätzen sie die Risiken, wenn sie die Kontrolle abgeben, zum Beispiel beim Besteigen eines Flugzeugs (Gigerenzer, 2013). Im Anlagekontext kann dies zu prozyklischem Verhalten und hohen Handelsgebühren führen, was wiederum zu enttäuschenden Anlageergebnissen beiträgt. Der «aktivistische Anleger» wird unter anderem durch das bekannte Verhaltensmuster eines überhöhten Selbstbewusstseins erklärt – ein Wesenszug, der bei erfolgreichen Unternehmern nicht selten anzutreffen ist. Ihr Motto mag sein «wenn ich mein eigenes Unternehmen erfolgreich steuern kann, warum sollte ich das mit meinem finanziellen Vermögen nicht auch können?» (McCullough, 2010).

Während liquide Vermögenswerte auf Interventionen nicht unbedingt wie gewünscht reagieren, erfordern andere Anlagen gerade dies. Wir denken, dass Private-Equity-Investitionen und andere direkte Anlagen in reale Besitzstände Anlageformen sind, in denen ein ehemaliger Unternehmer Befriedigung und vielleicht sogar eine neue Leidenschaft finden kann. Eine Untersuchung von Ernst & Young kommt zum Schluss, dass Menschen mit einem unternehmerischen Hintergrund direkte Anlageformen bevorzugen (Brock, 2013). Im Unterschied zu traditionellen Finanzanlagen wie Aktien und Anleihen kommen Direktanlagen den Verhältnissen nahe, mit denen der ehemalige Unternehmer in seinem Betrieb zu tun hatte. Sie gewähren dem Anleger einen hohen Grad an Information, Einsicht in das Betriebsvermögen, sowie die Möglichkeit, Geldflüsse, Gewinne und Verluste relativ gut abschätzen zu können (Crain, 2013). Dies steht im Gegensatz zu den Unwägbarkeiten des Finanzmarktes, die mit Marktvolatilität und Finanzmarktzyklen einhergeht, sowie der praktisch inexistenten Möglichkeit der persönlichen Einflussnahme.

Weitere gravierende und oft unterschätzte Herausforderungen bei der Nachfolgeregelung betreffen die adäquate Kommunikation und der Einbezug von Familienmitgliedern basierend auf ihren Fähigkeiten und Interessen. So lange das Vermögen eines Unternehmers illiquid ist und im Unternehmen gebunden ist, bleibt die Beteiligung der Familienmitglieder vermutlich begrenzt. Wenn Vermögen allerdings verfügbar wird und in Finanzanlagen überführt wird, mögen die Ansprüche und Erwartungen der Familienmitglieder – und damit ihr Informationsbedarf und ihr Interesse, an der Entscheidung teilzunehmen - steigen. Eine unzureichende Kommunikation und mangelnde Berücksichtigung der Familienmitglieder kann bei der Nachfolgeplanung zu schweren Konflikten führen.

3. Mit der Herausforderung umgehen

Während es keine einheitlichen Rezepte gibt, die zu allen Situationen passen, gibt es Ansätze, die sich aus unserer Sicht beim Bewältigen der Herausforderungen, die mit einem plötzlichen Anstieg des liquiden Vermögens und der Nachfolgeplanung einhergehen, bewährt haben. Dabei kann die Planung nicht früh genug angegangen werden. Dies beginnt mit der Berücksichtigung der emotionalen Bindung eines Unternehmers oder einer Unternehmerin an den Betrieb – einem der weichen Faktoren. Wenn der- oder diejenige von seiner oder ihrer Firma genug hat und sich weiterentwickeln möchte, dann ist wahrscheinlich der vollständige Verkauf des Unternehmens an einen finanziellen oder strategischen Investor angezeigt, ohne dass Verbindlichkeiten für den ehemaligen Besitzer bestehen bleiben. Häufiger jedoch bevorzugen Unternehmer ein langsames Auslaufen ihres Engagements.

Langfristige Planung ist die Basis für gute Resultate in Steuersachen. Dazu gehört, mit professioneller Hilfe eine möglichst effiziente Strukturierung der Geschäftsaktivitäten vorzunehmen, inklusive der Steuerplanung hinsichtlich der Nachfolge kommender Generationen. Dagegen können Fragen zur angemessenen Kontostruktur – etwa, welche Banken betraut werden sollen – relativ schnell abgewickelt werden. In diesem Zusammenhang ist es vor allem wichtig zu verstehen, wie die Konten strukturiert sind und welche Gebührenmodelle die Anbieter vorschlagen, da dies die Anreize für und damit das Gebaren der betreffenden Banken steuert. Wir versuchen Banken zu meiden, deren Umsätze durch ständige Veränderungen im Portfolio zustande kommen, da dadurch unangemessene Kosten entstehen. Wir bevorzugen Banken, die Interessenskonflikte vermeiden, und wir sind der Überzeugung, dass die Interessen des Anlegers – der Käuferseite – nicht durch jene des Anbieters – der Verkäuferseite – dominiert werden sollten.

Ein wesentlicher Teil der Planungsphase besteht aus der Festlegung von Anlagezielen und -strategien für die Familie. Um prozyklisches oder interventionistisches Anlegerverhalten (das oft mehr durch Emotionen denn durch Fakten beeinflusst ist) zu vermeiden, muss unbedingt eine langfristige Anlagestrategie festgelegt werden. Um diese ungeachtet dem Rauschen an den Finanzmärkten diszipliniert umsetzen zu können, ist eine schriftliche Formulierung der Anlagepolitik zwingend. Diese definiert die Rahmenbedingungen durch die Bestimmung von Zielvorgaben, Risikofaktoren und Entscheidungsprozessen, um die Anlagen auch in Zeiten erhöhter Unsicherheit und sogar Panik an den Märkten systematisch zu verwalten (Crain, 2013).

Finanzwissen ist ein ausserordentlich wichtiger menschlicher Faktor für das erfolgreiche Umsetzen langfristiger Anlagepläne. Um sie auf ihre zukünftige Verantwortung als Entscheidungsträger vorzubereiten, sollte die junge Generation in den Planungs- und Anlageprozess mit einbezogen werden. Dazu muss sie sich Bankenwissen aneignen und Finanzmärkte, Anlagetheorien und Ähnliches mehr besser verstehen. Diese Vorbereitung hilft einer Familie, den markanten Wechsel zu bewältigen, den die plötzliche Verfügbarkeit von Kapital mit sich bringt. Ziel ist es, zu vermeiden, dass Vermögen zur Last wird statt Chancen zu eröffnen. Nach Godfrey (2015) sollten folgende Zielsetzungen Priorität haben:

  1. Kindern zu einem sinnvollen Leben verhelfen
  2. Ihnen gute Instrumente zum Selbstschutz mitzugeben
  3. Sie zu unterstützen, aktiv im langfristigen Familienplan mitzuwirken

Das Finanzwissen der nächsten Generation wird gefördert, indem sie in an den Diskussionen zur Festlegung des Family-Governance-Systems einbezogen werden, wenn sie in Familienräten teilnehmen, in denen es um Investitionen oder Themen wie Philanthropie geht, und wenn die Verantwortung nach und nach übertragen wird. Finanzwissen kann auch in Workshops und Seminaren erworben werden, in denen spezifische Themen wie Anlagen, Philanthropie und Familienführung behandelt werden. Möglicherweise ist auch der Einbezug eines spezialisierten Beraters oder eines Family Office sinnvoll.

Wie bereits festgestellt, neigen erfolgreiche Unternehmer häufig dazu, Konzentration als etwas Positives zu betrachten. Sie haben gelernt, dass Fokussierung und Hingabe zu geschäftlichem Erfolg führen können. An den Finanzmärkten ist dieser Ansatz allerdings kaum je erfolgreich. Um der unternehmerischen Vorliebe für konzentrierte Positionen Rechnung zu tragen, kann ein Teil des Vermögens in ein Gefäss überführt werden, aus dem konzentrierte Risikoanlagen getätigt werden, ohne das gesamte Portfolio aufs Spiel zu setzen. Dieses Gefäss kann beispielsweise für Private- Equity-Investitionen genutzt werden, die eine aktive Inhaberschaft verlangen, wie zum Beispiel die Einsitznahme im Aufsichtsrat der betreffenden Firma.

Die klare Unterteilung zwischen reinen Finanzanlagen und Anlagen in Sachwerten – wie konzentrierten Direktinvestitionen in einzelnen Unternehmen oder in Immobilienprojekten – hilft, die Anlagedisziplin aufrechtzuerhalten und übermässig hohe Direktinvestitionen zu vermeiden (Becerra, Rose & Cara, 2015). Anlagen in Sachwerte liegen dem Unternehmertum normalerweise näher, da erfolgreiche Investitionen in einzelne Unternehmen oder Liegenschaftsprojekte unserer Erfahrung nach nicht nur vom Know-how und der Erfahrung des Unternehmers profitieren, sondern auch von seiner Bereitschaft, Zeit und Energie aufzuwenden und wertvolle Handlungshilfen zu bieten. In anderen Worten, bei dieser Art von Anlage funktioniert die alleinige Investition von Geldmitteln kaum. Sich mit Geld und Zeit an einem Unternehmen zu beteiligen kann deshalb für einen vormaligen Unternehmer ein guter Weg sein, seine Fähigkeiten einzusetzen, während die klare Trennung von den liquiden Anlagen eine übermässige Risikokonzentration und interventionistische Manipulationen der Finanzanlagen vermeidet.

Die Vermeidung häufiger Eingriffe und prozyklischen Verhaltens und die Gewährung der Anlagedisziplin können zudem auch durch einen systematischen Anlageprozess mit klaren Verantwortlichkeiten sichergestellt werden, der sich an den spezifischen Zielen des Unternehmers und seiner Familie orientiert. Ein solcher Rahmenplan beinhaltet normalerweise eine langfristige Strategie und definierte Vergleichsindizes („Benchmarks“).

Die Grundlage einer gut funktionierenden Führung der Familienangelegenheiten ist die klare Festlegung der Rollen und Verantwortlichkeiten der beteiligten Familienmitglieder und ihrer Berater und Dienstleister, sowie die entsprechende Entscheidungsgewalt jedes Beteiligten. Zunächst mag es einem Unternehmer lieber sein, Entscheidungen in einer kleinen Gruppe zu treffen, die vielleicht nur aus ihm und einem oder zwei Beratern besteht. Das Wissen der Berater mag rechtliche, steuerliche und operationale Aspekte abdecken, und wird typischerweise ergänzt durch zusätzliche Berater, einschliesslich eines Family Office.

Mit der Zeit können weitere Komitees, wie ein Anlage- oder ein philanthropisches Komitee, eingeschaltet werden, wodurch sich auch die Gelegenheit ergibt, Familienmitglieder der nächsten Generation einzubinden. Becerra, Rose und Cara (2015) argumentieren, dass wirksame Führungsmechanismen den Zusammenhalt der Familie fördern, indem sie Transparenz sicherstellen und so Streitigkeiten vorbeugen und, falls sich diese nicht vermeiden lassen, deren Lösung erleichtern.

Es ist wichtig, dass sich die beteiligten Familienmitglieder über das System zur Regelung der Familienangelegenheiten einig sind, und dass sie seinen Nutzen bezüglich dem langfristigen Vermögenserhalt und der Ermöglichung von Transition und Nachfolge einsehen. Idealerweise steigert so ein System das menschliche und intellektuelle Kapital einer Familie und befähigt die nächste Generation, die Errungenschaften der Gründergeneration zu wahren und zu erneuern.

Eine Möglichkeit, an die kommunikationsbezogenen Herausforderungen heranzugehen, ist die Schaffung einer neutralen Stelle wie zum Beispiel ein Family Office, welche abhängig von den definierten Aufgaben, Familienzusammenkünfte abhält, Analysen bezüglich Steuerangelegenheiten, regulatorischen Änderungen, usw. vornimmt und verteilt, sowie eine unabhängige Einschätzung der Anlageresultate – gemessen an vordefinierten Kriterien - liefert. Ein funktionierender Kommunikationsprozess ist die Voraussetzung für den offenen Austausch von Bedürfnissen und Vorstellungen der Anspruchsgruppen, welche sich von einer Generation zur nächsten ändern können. Sie sichert ausserdem die Fähigkeit, mit den divergierenden Interessen der verschiedenen Familienmitglieder umzugehen.

Allerdings erfordert eine rundum erfolgreiche Family Governance mehr als Kommunikation. Sie beinhaltet auch die im untenstehenden Diagramm dargestellten Elemente. Transparenz bedeutet, dass Absichten und Erwartungen von allen Beteiligten verstanden werden. Konsistenz wird erreicht, indem Entscheidungen auch umgesetzt werden. Flexibilität bezieht sich auf die Bereitschaft, die Family-Governance-Strukturen anzupassen, wenn sich Umstände oder Bedürfnisse ändern. Und schliesslich sollten sich alle Beteiligten verbindlich zu Fairness und zur Hinarbeit auf die gemeinsamen Ziele verpflichten.

Elemente der Family Governance

Quelle: Blondel (2015), MFO

Zusammenfassung und Folgerungen

Die Metamorphose vom Unternehmer zum Anleger ist eine Herausforderung. Der Übergang wird dann zum Erfolg, wenn der Unternehmer oder die Unternehmerin bereit ist, sich den fundamental neuen Gegebenheiten anzupassen. Diese Offenheit ist eine Voraussetzung, um die Fallstricke, die wir in diesem Bericht diskutiert haben, erfolgreich anzugehen. Planung benötigt frühe Vorbereitung und eine ausreichende Berücksichtigung menschlicher Faktoren. Die vielen Unternehmern eigene Tendenz zur Konzentration kann klug genutzt werden durch die Aufteilung des Gesamtvermögens in ein langfristig orientiertes Finanzportfolio und ein Portfolio für konzentriertere Direktinvestitionen. Die negativen Effekte häufiger Portfoliointerventionen und eines prozyklischen Verhaltens können am ehesten durch das Befolgen eines systematischen Anlageprozesses mit klaren Verantwortlichkeiten im Rahmen einer festgelegten Anlagestrategie vermieden werden. Gute Führung benötigt eine klare Verteilung der Rollen und Verantwortlichkeiten zwischen den Familienmitgliedern und beteiligen Drittparteien. Die Kommunikation kann mit Hilfe eines unabhängigen Family Office als neutralem Vermittler wesentlich verbessert werden.

Referenzen

Becerra, J., Rose, J., Carafi, C. (2015). What does it take to set up an effective “Family Office”? BCG Perspectives. Gefunden unter https://www.bcgperspectives.com/content/articles/value-creationstrategy- role-of-center-effective-family-office/

Blondel, C. (2015). Family governance by Christine Blondel. Gefunden unter http://www.familygovernance.net/fr

Brock, P. et al. (2013). Pathway to successful family and wealth management. EY Family Office Guide. Gefunden unter http://www.ey.com/Publication/vwLUAssets/EY-Pathway-to-successful-family-andwealth-management/$FILE/EY-Pathway-to-successful-family-and-wealth-management.pdf

Crain, J. (2013). From Entrepreneur to Investor – Successfully Navigating the Transition. BNY Mellon Wealth Management. Gefunden unter http://www.bnymellonwealthmanagement.com/our-views/perspectives/entrepreneur-transition.html

Gigerenzer, G. (2013). Risiko: Wie man die richtigen Entscheidungen trifft. München: C. Bertelsmann

Godfrey, J. (2015). Preparing Children for a life of Wealth. Northern Trust White Papers. Gefunden unter https://www.northerntrust.com/documents/white-papers/wealth-management/preparingchildren- for-life-of-wealth.pdf

McCullough, T. (2010). Risk and the role of a Family Office: What entrepreneurs and senior executives need to know. Ivey Business Journal. Gefunden unter http://iveybusinessjournal.com/publication/risk-and-therole-of-a-family-office-what-entrepreneurs-and-senior-executives-need-to-know/

Neuhaus, T. (2016). Nachfolge als nachhaltige Unternehmensführung. Unternehmerlunch Crédit Suisse Basel. Präsentation. Zürich: Crédit Suisse AG.

Roberts, B.B. & Low, M. B. (2015). Life After an Exit: How Entrepreneurs Transition to the next stage. Eugene Lang Entrepreneurship Center at Columbia Business School and Credit Suisse. Gefunden unter http://www8.gsb.columbia.edu/rtfiles/entrepreneurship/CSPB_entre_mech%20v12.pdf

Vincerò Capital Management (2012). A Multi Family Office. Hamilton Ontario: Vincerò Capital Management.

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Lukas Dörig

Head Client Relationship Management, Managing Partner